Verpackungsspezialist SIG Combibloc führt autonome Produktionslogistik ein
Platz leer? Rolle her!
Seit nunmehr fünf Jahren setzt SIG Combibloc bei der Packstoffproduktion auf das Manufacturing Execution System GUARDUS MES. Die Shopfloor-IT dient nicht nur als zentrale Plattform für sämtliche Aufgaben im Qualitäts- und Produktionsmanagement, sondern ist auch wichtiger Datenlieferant für die jüngst automatisierte Produktionslogistik.
Am Standort Wittenberg sorgt ein Schwarm fahrerloser Klammerstapler für autonome Abläufe rund um die Materiallogistik in allen Fertigungsstufen. Im ersten Schritt realisierte SIG Combibloc den autonomen Transport der beschichteten und bedruckten Rollen, aktuell läuft die Projektphase rund um die Logistik der Druckzylinder am Standort Linnich.
Agil, vielschichtig und hochflexibel
Mit diesen Charaktereigenschaften lassen sich die Produktionsabläufe der SIG Combibloc zusammenfassen. In vier Produktionsstufen werden Kartonverpackungssysteme in unterschiedlichsten Formaten und Druckmotiven hergestellt. Zu deren Herstellung wandert eine Rolle Karton nach der anderen durch die Anlagen und wird mit den Rohwaren Aluminium und Polyethylen veredelt. In der ersten Stufe wird in einem Beschichtungsprozess die sogenannte Halbfertigware 1 in Form von Rollen hergestellt. Der anschließende Druckprozess bringt das kundenspezifische Dekor auf die Rollen. In der dritten Stufe werden die Zuschnitte aus der Rollenware herausgestanzt und im letzten Schritt erhalten die Zuschnitte ihre Siegelnaht und werden automatisch in Umkartons verpackt.
Damit das sensible Zusammenspiel aller Prozessbeteiligten in Echtzeit überwacht und gesteuert werden kann, setzt SIG Combibloc auf einen harmonischen IT-Dreiklang: Das ERP „SAP“, die Planungssoftware „Quintiq“ und das MES „GUARDUS MES“ tauschen neben den Kunden- und Material-Stammdaten alle wichtigen operativen Produkt- und Prozessdaten aus – vom Produktionsauftrag (aus SAP) und dessen exakter Einplanung (aus Quintiq) bis hin zu Qualitätsdaten und Fortschrittsmeldungen je Fertigungsstufe (MES). Darüber hinaus liefert die Shopfloor-IT alle qualitäts- und produktionsrelevanten Daten, die das ERP-System für ein lückenloses, aktuelles Controlling benötigt.
Digitale Transformation in vollem Gang
Dieses Fundament sorgt nicht nur für Prozesssicherheit und -stabilität im täglichen Betrieb. Es ist auch die Grundlage künftiger Shopfloor-Konzepte. Dazu gehört vor allem die schrittweise Navigation durch die rauen Gewässer der digitalen Transformation. „Für uns bedeutet Industrie 4.0 das Denken und Handeln in automatisierten, verketteten Prozessen. Im Zuge dessen beschäftigen wir uns mit der Optimierung der Produktion. Blickt man zurück auf die vergangenen zehn Jahre, so haben wir zunächst alles getan, um die Maschinen schneller zu machen, dann wurden die Rüstzeiten zwischen den einzelnen Aufträgen in Angriff genommen, um die Maschinen mit möglichst hoher Effizienz zu betreiben. Der nächste Schritt ist der gesamte Bereich der Materiallogistik und die Frage, wie wir mittels Fahrerloser Transportsysteme (FTS) die unzähligen internen Transporte beschleunigen können“, so Dr. Thomas Scheermesser, Head of Production Process Improvement, bei SIG Combibloc.
Welche Bedeutung hat die Effizienzsteigerung logistischer Prozesse im Rahmen künftiger Fertigungsorganisationen? Antwort: eine enorm hohe. „Fragmentierte Logistikverfahren zur Ablaufsteuerung sind bei maßgeschneiderten Produkten, sinkenden Losgrößen, hohem Kostendruck und sich selbst organisierenden Produktionsszenarien undenkbar“, so Dr. Scheermesser weiter. Ergo muss die Produktionslogistik ebenso agil, flexibel und vernetzt arbeiten, wie die bereits automatisierten Fertigungslinien und umgebenden IT-Landschaften. Nur so lassen sich Optimierungspotenziale wie die Reduktion von Durchlaufzeiten und Beständen, die Harmonisierung der Kapazitäten sowie die optimale Gestaltung der Transportwege vollständig ausschöpfen.
Eine neue Führungsrolle
2017 startete das Projekt zur Einführung Fahrerloser Transportsysteme für die Rollen-Logistik am SIG-Standort Wittenberg. Um das Lagern und Transportieren der Rollen entlang der Produktionsstufen zu verbessern, stellte das SIG-Projektteam die vorherrschende Sicht der Dinge buchstäblich auf den Kopf. Anstatt den Mitarbeiter als aktiven Planer, Impulsgeber und Umsetzer materiallogistischer Prozesse zu sehen, gab man den Maschinen die Führungsverantwortung. Schließlich ist es die Anlage, die exakt darüber Auskunft geben kann, was der Fertigungsprozess im Sinne der Auftrags-Reihenfolgenplanung und anschließender Produktionslogistik benötigt.
Das Ergebnis: Die gesamte Taktung des Materialflusses richtet sich an der Produktionssituation aus. Synchronisiert mit den Abläufen wird pro Fertigungsauftrag die richtige Rolle zur richtigen Zeit an der Maschine/Anlage bereitgestellt beziehungsweise abgeholt. Das gilt sowohl für die Materialanlieferung zum Produktionsstart, die bedarfsorientierte Materialbestückung der Anlagen in den einzelnen Produktionsstufen sowie den Transport von Halbwaren und fertigen Rollen in die (Zwischen)lager. Auf diese Weise wird nicht nur genau das Material bereitgestellt, welches im Produktionsbereich benötigt wird. Zudem werden somit auch die räumlichen Gegebenheiten optimal genutzt und der WIP Bestand so klein wie möglich gehalten.
MES ruft, FTS kommt
Die gesamte Anlieferung und Abholung der Rollen wird heute über Bodensensoren vor und hinter den Maschinen gesteuert. Meldet der Sensor eines Pickplatzes freie Kapazität, erzeugt die FTS-Steuerungssoftware über die Arbeitsreihenfolgenplanung einen Transportauftrag und fährt gemäß Stückliste und Arbeitsfortschritt die benötigte Rolle an ihren Platz. Steht hingegen eine produzierte Rolle auf einem Sensor, wird die Rollennummer automatisch oder durch den Shopfloor-Mitarbeiter gescannt, wodurch das FTS wiederum einen präzisen Abholauftrag erhält. Für die Echtzeit-Belieferung der FTS-Steuerungssoftware mit allen relevanten Informationen zeichnet das Manufacturing Execution System verantwortlich, da nur GUARDUS MES die notwendigen Echtzeit-Informationen gebündelt bereitstellen kann. Dazu gehören zum einen die Auftragsreihenfolgen inklusive Stücklisten, zum anderen liefert das MES alle Daten rund um das Material. Dabei entscheidet vor allem die Rollennummer über die Sicherheit und Stabilität des Prozesses. Dank ihrer Logik erkennt das FTS bei der Datenübergabe, um welche Rolle es sich exakt handelt und wohin diese zu transportieren ist. Das Scannen der Rollennummer nach GUARDUS MES garantiert darüber hinaus die Sicherstellung einer lückenlosen Traceability. Nur so kann im Fehlerfall die Ursache schnell und sicher identifiziert werden.
Ein gelungener Start
Nach dem Go-Live der autonomen Produktionslogistik ist SIG Combibloc wieder ein Stück weiter auf dem Weg, die Fertigung so weit wie möglich zu automatisieren und die sogenannte „Flow Production“ zu realisieren. „Das Implementieren eines automatisierten Materialflusses, der auf Basis der Ist-Situation verläuft, hat uns attraktive Potenziale in puncto Kosten und Qualität eröffnet“, fasst Dr. Scheermesser zusammen. Deshalb steht auf der Agenda des Innovationsmanagers nicht nur die Adaption des FTS-Prozesses an die logistischen Anforderungen von Druckzylindern, sondern auch der ganzheitliche Rollout am zweiten deutschen SIG-Standort in Linnich. „Weiterhin haben wir Projekte gestartet, um die Palettierung und Kennzeichnung unserer Fertigwaren vollständig zu automatisieren. Damit wollen wir die Voraussetzungen schaffen, um unseren Prozess bestmöglich in die Prozesskette der Kunden zu integrieren“, so sein weiterer Ausblick.
Mehr Informationen: http://www.sig.biz/
Fotocredit@SIGCombibloc