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PPWR: Großer Schritt nach vorne!

Mit 11. Februar 2025 trat die lang erwartete EU-Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) in Kraft. Fünf Fragen an Horst Bittermann, Director General von Pro Carton, über Chancen und Herausforderungen für Unternehmen, Konsumentinnen und Konsumenten.

Herr Bittermann, die neue EU-weite Regelung markiert einen Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft und setzt ambitionierte Ziele für die Nachhaltigkeit von Verpackungen. Wie zufrieden sind Sie mit der neuen Regelung?
Die Einigung zu den europaweit zumindest teilweise einheitlichen Regelungen des Verpackungsmarktes ist ein Meilenstein für unsere Industrie. Die faser-basierte Verpackungsindustrie begrüßt ausdrücklich die Rechtssicherheit, die damit geschaffen wird. Nur so kann unsere Branche weiter in die grüne Transformation und in Innovationen von nachhaltigen, erneuerbaren und tatsächlich recycelten Verpackungen investieren, um andere Verpackungen zu ersetzen und damit zur Reduktion von CO2-Emissionen in Europa erheblich beizutragen.

In den nächsten 18 Monaten stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, die komplexen Anforderungen der PPWR umzusetzen und nachhaltige Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren. Was kommt auf die Unternehmen und vor allem auf die Hersteller von Verpackungen zu?
Die wichtigsten Aufgaben für die Verpackungshersteller sind:

  • Die Produktion von recyclingfähigen Verpackungen: Alle Verpackungen, egal aus welchem Material diese hergestellt sind, müssen bis 2030 zumindest zu 70 Prozent recyclingfähig sein (80% in 2038) und 2035 zu mehr als 55 Prozent tatsächlich recycelt werden. Die faser-basierte Verpackungsindustrie hat bereits seit Jahrzehnten daran gearbeitet, weil wir aus dem grünen Wald heraus entwickelt haben und deshalb die Umwelt immer im Fokus stand. Und wir waren und sind erfolgreich mit einer europaweiten Recyclingrate von über 83 Prozent (2022 EuroStat). Außerdem bestehen unsere Verpackungen bereits jetzt zu 77 Prozent aus sekundären Rohstoffen oder einfacher ausgedrückt aus Altpapier. 
  • Das Aufbringen von Pictogrammen auf den Verpackungen, die den zukünftigen Pictogrammen auf den Mülltonnen gleichen, um den Konsumentinnen und Konsumenten das richtige Sammeln leichter zu machen.
  • Das Ersetzen von Einwegplastik-Verpackungen bei vielen Anwendungen mit recycelbaren Verpackungen aus anderen Materialien, wie im Obst und Gemüse- oder im Take-away- Bereich.
  • Das Redesign von Transportverpackungen inklusive E-Commerce Verpackungen, um die Leerraumquote von 50 Prozent zu erfüllen; vereinfacht ausgedrückt dürfen Verpackungen maximal 50 Prozent größer sein als das Produkt.
  • Plastikverpackungen müssen einen Mindestanteil von recyceltem Plastik beinhalten und bei den meisten Anwendungen eine noch festzulegende Wiedergebrauchsrate aufweisen, daher nicht nur einmal verwendet werden.

Eine der wichtigsten Anforderungen der PPWR ist die Verpackungsminimierung; es müssen bis spätestens 2026 Gewicht und Volumen einer Verpackung auf das notwendige Minimum reduziert werden, ohne dass damit die Funktionalität oder der Produktschutz beeinträchtigt ist. Welche Chancen ergeben sich dadurch bzw. welche Hürden könnten hier entstehen?
Es ist für mich eines der größten Missverständnisse in der Verpackungsdiskussion, dass Berge unnötiger Verpackungen hergestellt und von den Kunden bezahlt werden. Unsere Industrie arbeitet immer schon sehr eng mit den Kunden zusammen, um die optimale Verpackung für jedes Produkt oder Lebensmittel zu gestalten, daher sind wir gut vorbereitet. Verpackung = Produktschutz und Reduzierung von Lebensmittelverderb! Wir arbeiten immer daran, ein optimales Gleichgewicht zwischen Verpackungsgewicht und Produktschutz zu gewährleisten. Nicht zuletzt für die Umwelt: Im Durchschnitt machen Verpackungen drei Prozent des Carbon Footprint aus, und 97 Prozent entfallen auf das Produkt bzw. dessen Nutzung. Daher darf nie ein Kompromiss beim Produkt- und Lebensmittelschutz erfolgen, nur um die Verpackung zu reduzieren.

Kritisch sehe ich allerdings die Einstellung zu recycelten Verpackungen, denn diese sind kein „Müll“, sondern wertvolle Rohstoffe, eben sekundäre Rohstoffe. Genau dies soll durch die PPWR gestärkt werden sowie ein noch besser funktionierender EU-Binnenmarkt dafür entstehen. Daher wäre hier auf EU-Ebene und in den Mitgliedsstaaten ein Umdenken erforderlich: Nicht Verpackungen per se, sondern Verpackungen, die nicht tatsächlich in der EU recycelt werden, sollten ein Reduktionsziel haben und strikt limitiert werden.

Die Umsetzung der PPWR beginnt Mitte August 2026. Die Regelung ist auch eine Chance für die gesamte FMCG-Branche, Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu werden. Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Konsumentinnen und Konsumenten?
Die Wünsche der Konsumentinnen und Konsumenten decken sich mit den Zielen der PPWR, kein Wunder denn diese entscheiden nicht nur über den Erfolg von Produkten und deren Verpackungen, sondern als Wählerinnen und Wähler auch über den Erfolg der Politik. Die recyclingfähige Verpackung, die auch tatsächlich recycelt wird und aus der wieder eine neue Verpackung entsteht, ist die Kernforderung der PPWR. Und das deckt sich mit den Ergebnissen der brandneuen Konsumentenstudie 2025 (mit über 5.000 befragten Konsument:innen in fünf europäischen Ländern) von Pro Carton. Die Bevölkerung will Verpackungen recyclen und dass diese aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Das sind auch die wichtigsten Forderungen der Konsumentinnen und Konsumenten an die Produzenten, die Markenartikler und den Handel.  

Es ist also wichtig, dass sich Unternehmen frühzeitig auf diese Änderungen einstellen und nachhaltige Verpackungslösungen forcieren. Vor welcher Verantwortung stehen jetzt Branchenverbände wie Pro Carton und PROPAK?
Unsere Verantwortung ist die sachliche Information über Änderungen der bestehenden Gesetzgebung durch die PPWR und die daraus resultierenden Chancen und Herausforderungen für unsere Mitgliedsunternehmen. Zusätzlich werden wichtige Details der PPWR erst durch 27 delegierte Rechtsakte – Secondary Legislation ­– in den nächsten Jahren klar geregelt wrden. Die Zeit bis zur Umsetzung ab 2030 wird daher sehr knapp, um die Ziele der PPWR für alle Verpackungen zu erreichen. Und wie Sie wissen, liegt der Teufel immer im Detail, daher werden wir uns mit Fachwissen und Praxiserfahrungen in den Gesetzgebungsprozess auf EU Level und nationaler Ebene einbringen.

Die EU hat nun verstanden, wie wichtig die Industrie für Europa ist, und dass Rechtssicherheit und Planbarkeit die zentralen Voraussetzungen für Investitionen und Innovationen sind. Investitionen sehe ich vor allem in Recyclinginfrastrukturen, in der Logistik sowie in Produktionsanlagen, um nachhaltige Verpackungen zu gestalten, die nicht-nachhaltige Verpackungen ersetzen können, somit die Recyclingquote erhöhen und den Carbon Footprint senken. Für die Umwelt und uns Menschen!

Vielen Dank für Ihre Antworten.

Am 22. Jänner 2025 wurde die EU-Verordnung für Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) offiziell im EU-Amtsblatt veröffentlicht.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ%3AL_202500040

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